In der Schriftenreihe des Club Niederösterreich werden aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen behandelt. Jedes Heft widmet sich einem Schwerpunktthema. Expert.innen beleuchten verschiedene Facetten und stellen Standpunkte dar. GF Josef Wallenberger war im Gespräch mit dem Club NÖ zum Thema "Zukunftskraft Frau".
Die Mehrzahl der Bevölkerung im Waldviertel ist weiblich. Frauen bilden nicht nur das Rückgrat der Gesellschaft, sondern sind auch jenes der künftigen Wirtschaftsentwicklung. Betrachtet man den demografischen Wandel, so führt der hohe Anteil der Babyboom-Generation, die in den nächsten zehn bis 15 Jahren in Pension geht, zu einem Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen. Im Waldviertel läuft das schneller und dramatischer ab als in den Zentralräumen. Die noch stärkere Teilnahme von Frauen am Wirtschaftsleben ist daher standortentscheidend, und zwar sowohl was das Arbeitskräfteangebot bzw. -übernahme oder Gründungen betrifft.
Was der Wirtschaftsbericht der OECD im Juli 2015 zu Österreich festhält, gilt auch für das Waldviertel: Wirtschaftliches Wachstum und die Zufriedenheit mit der Lebenssituation können gesteigert werden, wenn wir die tradierte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau weiter auflösen und die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf verbessern.
Die Lohnsteuerstatistik 2014 für die NUTS III Region Waldviertel weist 46.908 Lohnsteuerfälle von Arbeitnehmerinnen mit einem durchschnittlichen jährlichen Nettobezug von 16.265 Euro aus. Aus Sicht der Einkommensgerechtigkeit ist dies kein schönes Bild. Ein wesentlicher Grund, warum der Unterschied zu den Männern (23.938 Euro Durchschnittseinkommen) in der Region so groß ist, liegt auch in der hohen Zahl an teilzeitbeschäftigten Frauen. So sind von 54.255 männlichen Arbeitnehmern nur 6.803 in Teilzeitbeschäftigung, bei den Frauen sind es mehr als 50 Prozent, nämlich 24.209. Gleichzeitig ist diese Tatsache aber ein Grund dafür, warum die Beschäftigtenquote der Frauen auch im Waldviertel gestiegen ist. Hier gibt es noch viel Potenzial in Richtung stärkere Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsleben. Die aktuell 3.089 arbeitslos gemeldeten Frauen (November 2015), das entspricht einer Arbeitslosenquote von 7,3 Prozent (Männer liegen bei 7,5 Prozent), sind daher nicht die einzigen "Reserven" gegenüber dem demografischen Wandel.
Ich denke, Frauen gehen anders an Aufgaben heran, sie sehen Gemeinschaft als Quelle der Macht, während Männer das Leben als Wettkampf gegen die Natur und andere Männer sehen, in dem sie allein bestehen müssen.
Das ist natürlich eine plakative Zuspitzung, aber ich bin überzeugt, dass wir vor großen Transformationsprozessen stehen. Wenn es gelingt, ein modernes Verständnis der Geschlechterrollen zu verstärken, so wird das mittelfristig sehr positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum der Region haben.
Das gegenwärtige System hält viele Frauen nach der Geburt des ersten Kindes nicht nur zwei Jahre vom Wiedereinstieg in den Beruf ab, es begünstigt in Folge sehr oft auch die Teilzeittätigkeit. Frauen mit Kindern tragen nicht nur die Hauptlast im Haushalt, in späteren Lebensabschnitten sind meist auch sie es, die die Verantwortung für die Pflege älterer Angehöriger übernehmen.
Wenn sie noch dazu erwerbstätig sind, wirkt sich diese Doppelbelastung oft negativ auf ihren beruflichen Werdegang und in Folge auf Gehalt und Pension aus. Angesichts des Gefühls, sich zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen, bleiben immer mehr Partnerschaften kinderlos.
Es sind also Basics, die im Waldviertel nachjustiert werden müssen: Moderne Einrichtungen zur Kleinkindbetreuung, Investitionen in frühkindliche Bildung und in Nachmittagsbetreuung fördern nicht nur unseren Nachwuchs, sondern auch die Beschäftigungschancen von Frauen. Kinderbetreuung, intelligente und flexible Mobilitätsangebote im öffentlichen Personennahverkehr sind heute mindestens so wichtig wie die Straßeninfrastruktur.
Auch seitens der Unternehmen wird es Initiativen geben müssen. Es ist aber auch eine Frage der Kultur, wie Sitzungen ablaufen, wann sie stattfinden bzw. deren "Nachbesprechungen", wie ernsthaft "mann" es anlegt, damit mehr Frauen (= 50 Prozent der Bevölkerung) auch wirklich in Gremien und Entscheidungen eingebunden sind. Und ja, manchmal werden wir Quoten brauchen, um Veränderung zu ermöglichen. Ich darf das in Anlehnung an eine ehemalige EU-Kommissarin so formulieren: "I hate quotes but I like what they do".
Bei der Gründung von Einzelunternehmen lag der Frauenanteil im Vorjahr bereits bundesweit bei über 57 Prozent. Vor 20 Jahren waren es gerade einmal 26 Prozent. Natürlich liegt das an einer veränderten Arbeitswelt. Dienstleistungen wie Betreuung, Direktvertrieb, Handel und Mode, Kunsthandwerk, Kosmetik etc. haben stark zugelegt. In diesen Branchen liegt der Frauenanteil bei Gründungen bei über 75 Prozent - ein Trend, der sich natürlich auch im Waldviertel fortsetzt. Aber daneben gibt es einen anderen Bereich, in dem wir als Region Vollgas geben sollten: Das Waldviertel ist einer der am meisten unterschätzen Wirtschaftsstandorte Österreichs. Wir haben einen starken Unternehmensbesatz im Bereich Industrie und Technologie. Mehr Frauen in technischen Berufen auszubilden sollte daher ein starkes Anliegen sein.
Ja, beginnend bei den Serviceangeboten der Wirtschaftskammer, die in jeder Bezirksstelle Beratungen und Weiterbildungen anbietet, bis hin zu den Gründerservices der RIZen, die ebenfalls ganz praktische Hilfestellungen leisten. Auch das AMS bietet für Interessentinnen ein gutes Angebot an Unterstützungen.
Ich halte aber neben den fachlichen Themen auch die Frage des "Hineinfindens in die Welt der Wirtschaft" für ganz wichtig. Das Gefühl, "als Unternehmerin nicht alleine zu sein", Zuspruch zu erhalten und auch aus den Erfahrungen anderer lernen zu können, macht stark.
Hier setzt etwa das Wirtschaftsforum an, ein Zusammenschluss von und für Waldviertler Unternehmer.innen, die sich mit der Entwicklung ihres Wirtschaftsstandortes befassen. 180 Betriebe bzw. Unternehmer.innen und Führungskräfte befinden sich dabei in einem Zukunftsdialog. Für sehr wertvoll halte ich auch das Angebot von "Frau in der Wirtschaft", eine Initiative der Wirtschaftskammer für selbstständige Frauen, und zwar egal ob es sich um eine Topmanagerin oder um eine Kleinstunternehmerin handelt.
Ich würde ihr raten, in Ausbildung zu investieren und den richtigen Standort zu suchen, denn das Waldviertel hat viel zu bieten. Außerdem würde ich ihr empfehlen, die genannten Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen sowie eine Hausbank der Region auszuwählen und intensiv das Vorhaben zu besprechen.
Und nicht zuletzt gilt der Hinweis, dass Unternehmerin zu sein auch etwas mit Ehrgeiz zu tun hat und einen langen Atem braucht. Deshalb empfehle ich, den Kontakt zum "Wirtschaftsforum Waldviertel" und zur "Frau in der Wirtschaft" zu suchen - eine "Eintrittskarte" in das Netzwerk der Waldviertler Wirtschaft.
Club Niederösterreich
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