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Mehr Zuzug als Abwanderung im Waldviertel


„Abwanderung – (k)ein Schicksal“ war der Titel einer vierteiligen Workshop- und Diskussionsreihe der Waldviertel Akademie. Der krönende Abschluss ging vor über 120 Interessierten im Forschungs- und Kompetenzzentrum Großschönau über die Bühne. Josef Wallenberger war einer der acht TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion.

Hausherr Bürgermeister Martin Bruckner präsentierte eingangs die Ergebnisse des eine Woche zuvor durchgeführten Workshops, bei dem vorrangig die Themen „Nachhaltigkeit", „Jung & Alt" sowie „Infrastruktur" im Mittelpunkt standen. „Übermorgen selbst versorgen - wir haben diesen Satz in unser tägliches Leben integriert", freute sich Bruckner.

Als Gemeinde-Best-Practice-Beispiel diente diesmal Reichersberg in Oberösterreich. Bürgermeister Bernhard Öttl präsentierte interessante Daten und Fakten seiner Gemeinde, die „an der Grenze zum Weißwurstäquator", also Bayern, liegt. „Wichtig war der Bau der Autobahnauffahrt, das ist unser wichtigster Zubringer", so Öttl zur rasanten Entwicklung seines Heimatortes. Er gestand aber auch, dass ein solcher Autobahnanschluu nicht nur gute Seiten hat. 5 Tankstellen im Ort, sehr viel Abfall und die CO2-Belastung sind nicht wegzudenken. 

„Gehen die Frauen, stirbt das Land" stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Gerlind Weber, Professorin an der Universität für Bodenkultur Wien. Aufgrund eines Zeitungs- und Fernsehberichtes entwickelten sich daraus heftige Diskussionen. „Ich habe die Studie in der Steiermark gemacht, nie auf das Waldviertel umgelegt", erklärte Weber, „die Berichte sind Interpretationen der Journalisten." In weiterer Folge ging Weber auf die neuen Anforderungen für Gemeinde ein, um auch die junge Bevölkerung halten zu können: „Man muss auf das Wanderungsverhalten reagieren, die Maßnahmen richtig setzen."

„Abwanderung ist kein Schicksal und vor allem kein Naturgesetz", stellte Wallenberger danach klar. Der Regionalberater zeigte die positive Entwicklung der Region in den letzten Jahren auf und stellte auch klar: „Schrumpfung ist das Thema, und das ist kein Waldviertel-Syndrom."

Für viele überraschend, lieferte Wallenberger auch interessantes Zahlenmaterial: „Das Waldviertel hatte in den letzten Jahren (konkret 2005, 2008 und 2010) immer mehr Zuzug als Abwanderung, die Wanderungsbilanz der Region ist positiv." Auch die immer noch in den Köpfen schwirrenden und schlichtweg falschen Bilder müssten endlich ausgelöscht werden: „Das Waldviertel ist mehr als mystisch, hier wird hochproduktiv gewirtschaftet." 

Die Problematiken Umverteilung, Strukturdebatten und Finanzausgleich stellte der Präsident des Gemeindevertreterverbandes, Alfred Riedl, zur Diskussion. „Groß ist nicht gleich billiger", stellte Riedl im Hinblick auf geplante Gemeindezusammenlegungen klar, „in manchen Fällen werden wir aber um solche Debatten nicht herumkommen."

Theres Friewald-Hofbauer, Geschäftsführerin der Europäischen ARGE für Landentwicklung und Dorferneuerung sprach auch über das Wanderungsverhalten junger Leute: „Es geht darum, wie man damit umgeht. Abwanderung ist ein Schicksal, aber das trifft nicht nur das Waldviertel." Ähnlich sah es Josef Strummer von der NÖ Dorf- und Stadterneuerung: „Es geht um den Menschen - und die Interessen sind unterschiedlich. Wir schaffen nicht materielle Werte, sondern Lebenswerte, die zu Identifikation und Bindung führen."

Auch das Publikum bezog ausführlich Stellung, so entwickelte sich eine fast dreistündige spannende Diskussion.

Zum Abschluss zog Moderator und WALDVIERTEL AKADEMIE-Vorsitzender Ernst Wurz Bilanz: „Der Trend zeigt, dass das Waldviertel ein Zuzugsgebiet ist. Das Ziel dieser Veranstaltungsreihe war nicht das Krankjammern fortzusetzen, sondern zu zeigen, was man tun muss und kann, um den Abwanderungstrend zu stoppen. Ich denke, das ist uns auch sehr gut gelungen."